AN-COR-003
2025-05
Messung des Polarisationswiderstands
ASTM G59 und mehr
Zusammenfassung
Die Anwendung der Tafel-Analyse zur Bestimmung der Korrosionsrate verschiedener Metalle und Legierungen in unterschiedlichen Umgebungen wird in der Application Note AN-COR-019 behandelt. In einigen Fällen ist jedoch der Reaktionsmechanismus nicht immer bekannt, oder es ist nicht möglich, aufgrund von Nebenreaktionen oder anderen elektrochemischen Phänomenen aussagekräftige Tafelsteigungen aus der Polarisationskurve zu extrahieren. In solchen Fällen wird die Tafel-Analyse unmöglich. Der Polarisationswiderstand (Rp) bietet eine bequeme Möglichkeit, die Korrosionsbeständigkeit von Metallen bei solchen Szenarien zu quantifizieren. Rp hat sich zu einem wichtigen Parameter in der Korrosionsanalyse entwickelt, da er schnell und einfach zu messen ist und zudem als zerstörungsfrei gilt.
Die ASTM-Norm G59 beschreibt, wie eine Polarisationswiderstandsmessung durchzuführen ist, wurde jedoch ursprünglich entwickelt, um zu kalibrieren und zu überprüfen, ob das Messgerät und die Testzelle korrekt reagieren. Diese Application Note gibt einen Überblick über die Methodik und die praktischen Anwendungen von Polarisationswiderstandsmessungen in Korrosionsstudien.
Einführung
Zur Erinnerung: Eine Elektrode gilt als polarisiert, wenn ihr ein Potential aufgezwungen wird, das von seinem Wert bei offenem Stromkreis (Leerlauf) oder dem Korrosionspotential (Ecorr) abweicht. Die Polarisierung der Elektrode führt dazu, dass aufgrund elektrochemischer Reaktionen an ihrer Oberfläche Strom fließt. Eine Polarisationskurve (i vs. E) zeigt den sich ändernden Strom an, während das Potential an der Elektrode geändert wird. Der Polarisationswiderstand (Rp) ist definiert als die Steigung der Polarisation an dem Punkt, an dem i = 0 ist:
In dieser Gleichung ist ΔE die Veränderung des angelegten Potentials um das Korrosionspotential (ΔE = E − Ecorr), und i der resultierende Polarisationsstrom. Daher kann der Polarisationswiderstand aus dem Kehrwert der Steigung der Polarisationskurve am Korrosionspotential berechnet werden.
Während der Polarisation wird die Höhe des Stroms durch die Reaktionskinetik und die Diffusion zur und von der Elektrodenoberfläche bestimmt. Die Butler-Volmer-Gleichung stellt den Zusammenhang zwischen dem Strom und der Überspannung her.
Die Überspannung η (V) ist definiert als die Differenz zwischen dem angelegten Potential E und dem Korrosionspotential Ecorr (d. h. η (V) = E − Ecorr).
Das Korrosionspotential Ecorr ist das Leerlaufpotential (OCP) eines korrodierenden Metalls. Der Korrosionsstrom icorr sowie die Tafel-Konstanten ba und bc können anhand der experimentellen Daten bestimmt werden. Weitere Informationen finden Sie in der Application Note AN-COR-019.
Für kleine Überspannungen η, also für Potentiale nahe dem Korrosionspotential, kann die vorherige Gleichung vereinfacht werden zu:
B ist als Stern-Geary-Konstante bekannt und steht in Beziehung zu den anodischen und kathodischen Tafelsteigungen.
Wenn die Tafelsteigerungen bekannt sind, können die Korrosionsströme aus dem Polarisationswiderstand mit Hilfe der obigen Gleichungen berechnet werden, die wiederum mit der Korrosionsrate wie folgt in Beziehung gesetzt werden können:
Dabei steht Ew für das Äquivalentgewicht und ρ für die Dichte.
Wenn die Tafelsteigerungen nicht bekannt sind (z. B. wenn der Korrosionsmechanismus nicht bekannt ist), kann Rp dennoch als quantitativer Parameter verwendet werden, um die Korrosionsbeständigkeit von Metallen unter verschiedenen Bedingungen zu vergleichen. Eine Probe mit niedrigem Rp wird leichter korrodieren als eine Probe mit hohem Rp.
Ein Beispiel für eine Polarisationswiderstandsmessung ist in der Norm ASTM G59 beschrieben und kann auch verwendet werden, um zu kalibrieren und zu überprüfen, ob das Messgerät und die Zelle korrekt eingestellt sind.
Probe und Experiment
a, ASTM G59: Für dieses Experiment wurde die Probe in eine 1 N (0,5 mol/L) wässrige Schwefelsäurelösung eingetaucht. Zwei Edelstahlstäbe wurden als Gegenelektroden verwendet. Als Referenzelektrode wurde eine mit 3 mol/L KCL befüllte Ag/AgCl-Referenzelektrode von Metrohm gewählt. Als Zelle wurde die ASTM-konforme 1 L-Autolab-Korrosionszelle von Metrohm Autolab eingesetzt.
Die Schwefelsäurelösung wurde eine Stunde lang mit Stickstoff entgast, um den gelösten Sauerstoff zu minimieren. Die Metallscheibe (Probe) wurde insgesamt 55 Minuten vor dem Experiment während der Entgasung mit Stickstoff in die Lösung eingetaucht. Während des gesamten Experiments wurde eine Stickstoffatmosphäre über der Lösung aufrechterhalten, um eine Sauerstoffdiffusion aus der Umgebungsluft in die Lösung zu verhindern.
b, Tafel-Analyse: In diesem Experiment wurde die Edelstahlprobe in künstliches Meerwasser (3 % NaCl) eingetaucht. Zwei Edelstahlstäbe wurden als Gegenelektroden benutzt. Als Referenzelektrode wurde eine mit 3 mol/L KCL befüllte Ag/AgCl-Referenzelektrode von Metrohm gewählt. Als Zelle wurde die 250 mL-Korrosionszelle von Metrohm Autolab eingesetzt.
In allen Fällen wurde ein VIONIC-Potentiostat/Galvanostat für die Messung verwendet. Die Messung und Datenverarbeitung erfolgten mit der INTELLO-Software. Das Fitten der EIS-Daten wurde mit der NOVA-Software durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion
ASTM G59
Das in der ASTM G59-Norm beschriebene und hier wiedergegebene Messverfahren besteht darin, zunächst das OCP (Leerlaufpotential) nach 5 Minuten Eintauchen der Probe in den Elektrolyten zu messen und ein weiteres Mal nach 55 Minuten Eintauchzeit. Anschließend wird eine LSV (Linear-Sweep-Voltammetrie) gestartet von -30 mV bis + 30 mV bezogen auf das nach 55 Minuten Eintauchzeit gemessenen OCP. Die Scanrate betrug hierbei 0,6 V pro Stunde.
Das nach 5 Minuten Eintauchzeit gemessene OCP betrug −0,54 V, und –0,52 V nach 55 Minuten Eintauchzeit. Abbildung 1 zeigt die resultierende Polarisationskurve sowie die lineare Regressions-Tangente angepasst an die Messdaten im Bereich von −10 mV bis +10 mV vs. Ecorr. Die Polarisationskurve muss in dem für die Analyse verwendeten Bereich linear sein. Daher ist der verwendete Potentialbereich üblicherweise kleiner als 0,1 × ba/c (typischerweise etwa 10 mV oder weniger).
Um genaue Ergebnisse zu erzielen, sollte darauf geachtet werden, dass der gemessene Strom ausschließlich durch die Korrosion verursacht wird. Dies kann erreicht werden durch Minimierung des ohmschen Spannungsabfalls (iR-Drop-Korrektur, erhöhte Elektrolytleitfähigkeit und/oder verkleinerte Elektrodenfläche) sowie durch Minimierung des kapazitiven Stroms (Verwendung von Staircase-LSV mit sehr niedrigen Scanraten, z. B. etwa 0,1 mV/s).
Die Regressionsanalyse ergibt einen Polarisationswiderstand von 22 Ohm/cm2. Dieser Wert ist geringfügig höher als der in der ASTM-Norm angegebene, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Temperatur in diesem Beispiel nicht auf 30 °C eingestellt war.
Dieses System, einschließlich der Zelle, ist ASTM G59-konform und kann für andere Polarisationswiderstandsmessungen verwendet werden.
Obwohl in der ASTM G59 nicht behandelt, ist es auch möglich, den Polarisationswiderstand mit Hilfe der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS) zu bestimmen und dann anhand eines entsprechendes Ersatzschaltbilds zu fitten. In Abbildung 2 ist das Nyquist-Diagramm der im vorherigen Experiment verwendeten Edelstahlprobe dargestellt.
Der Halbkreis kann mit einem einfachen Ersatzschaltbild (siehe Abbildung 3) gefittet werden, um einen vergleichbaren Wert von 22,4 Ω/cm² zu erhalten.
Tafel-Analyse und Polarisationswiderstand
Wie bereits erwähnt, ist es möglich, die Tafel-Analyse mit der Analyse des Polarisationswiderstands zu kombinieren, um die Korrosionsrate aus zwei verschiedenen Methoden zu bestimmen und miteinander zu vergleichen.
In diesem Fall wurde eine OCP-Messung durchgeführt und anschließend eine LSV-Messung bei -0,2 V vs. OCP gestartet und bei +0,2 V vs. OCP beendet.
Die Korrosionsrate aus der Tafel-Analyse wurde mit 0,0013 mm/Jahr berechnet und die Tafel-Steigungen betrugen 173 mV/dec und 132 mV/dec. Das Kopieren der Steigungen in den Befehl für den Polarisationswiderstand ergibt eine berechnete Korrosionsrate von 0,0014 mm/Jahr. Da beide Methoden sehr ähnliche Korrosionsraten ergeben, ist dies ein guter Hinweis darauf, dass die Korrosionsrate genau ist.
Fazit
Die Analyse des Polarisationswiderstands ist derzeit in INTELLO und NOVA verfügbar. Sie ist besonders nützlich, wenn die Tafelsteigungen nicht genau berechnet werden können. Als quantifizierbarer Parameter bietet Rp eine praktische Möglichkeit, zu überprüfen, ob eine Korrosionsschutzstrategie die gewünschte Wirkung zeigt. Rp kann beispielsweise verwendet werden, um zwei Metalle in derselben Umgebung oder dasselbe Metall in unterschiedlichen Umgebungen miteinander zu vergleichen.
Darüber hinaus eignet sich dieser Parameter besser für Langzeitmessungen und die Untersuchung von Inhibitoren, bei denen der Polarisationswiderstand in bestimmten Intervallen über mehrere Tage hinweg gemessen werden kann. Die Analysezeit ist dabei sogar kürzer als bei der Tafel-Analyse.